Fatigue gehört zu den häufigsten und zugleich belastendsten Symptomen der Multiplen Sklerose (MS). Schätzungen zufolge leiden bis zu 80 % der Betroffenen im Verlauf ihrer Erkrankung an einer Form dieser tiefgreifenden Erschöpfung. Doch was steckt wirklich dahinter, wenn Körper und Geist keine Energie mehr finden? Und welche Rolle spielt dabei unser körpereigenes Stresssystem – die sogenannte HPA-Achse?
Fatigue ist nicht einfach Müdigkeit. Sie ist eine pathologische Erschöpfung, die in keinem Verhältnis zu vorheriger Aktivität steht und sich auch durch Schlaf oder Ruhe kaum bessert. Betroffene beschreiben sie als eine „Bleischwere“, ein Gefühl, als sei der Körper leer und der Kopf vernebelt. Diese Energiekrise betrifft sowohl körperliche als auch kognitive Funktionen – die Konzentration lässt nach, die Muskeln ermüden schneller, und selbst alltägliche Aufgaben können zur Überforderung werden.
Die Ursachen sind komplex und multifaktoriell. Mehrere Mechanismen können zusammenwirken:
Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse) ist die Hauptschaltstelle unserer Stressregulation.
Sie funktioniert wie ein fein abgestimmtes System aus drei Ebenen:
Cortisol hilft, Energie zu mobilisieren, Entzündungen zu kontrollieren und das Gleichgewicht zwischen Anspannung und Erholung zu steuern.
Bei Menschen mit MS zeigt sich häufig eine veränderte Cortisol-Antwort auf Stress. Studien weisen auf eine Hyporeaktivität der HPA-Achse hin – das bedeutet, dass der Körper auf Stressreize nicht mehr adäquat reagiert.
Diese „Erschöpfung“ der Stressachse führt zu:
Das Resultat:
Dauerstress auf zellulärer Ebene – der Organismus kann nicht mehr zwischen Belastung und Erholung unterscheiden. Diese Dysregulation trägt maßgeblich zur Fatigue, aber auch zu Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und kognitiver Verlangsamung bei.
Ein gezielter Ansatz sollte sowohl körperliche als auch neuroendokrine Faktoren berücksichtigen. Evidenzbasierte naturheilkundliche Maßnahmen können helfen, die HPA-Achse zu stabilisieren und den Energiehaushalt zu regenerieren:
Da Entzündungsmediatoren und Stresshormone eng mit der Darmbarriere verbunden sind, lohnt sich eine begleitende Darmtherapie – z. B. mit präbiotischer Ernährung und gezielten Probiotika. Außerdem spielen kurzkettige Fettsäuren, die von bestimmten Darmbakterien produziert werden, eine wichtige Rolle.
Mehr über die Rolle der Darmflora und kurzkettigen Fettsäuren bei MS-Fatigue erfahren Sie im ergänzenden Artikel:
👉 „Die Rolle der kurzkettigen Fettsäuren bei MS-Fatigue: Energie aus dem Darm“
Fatigue bei Multipler Sklerose ist mehr als bloße Erschöpfung – sie ist Ausdruck einer gestörten Stress- und Energiehomöostase. Die HPA-Achse spielt dabei eine Schlüsselrolle, denn sie verbindet Immunsystem, Hormonsystem und Nervensystem miteinander. Ein ganzheitlicher Ansatz, der Entzündung, Mitochondrienfunktion und Stressregulation gleichermaßen berücksichtigt, kann helfen, die Energie langsam zurückzugewinnen – und damit Lebensqualität und Selbstwirksamkeit zu stärken.
Hinweis:
Dieser Artikel ersetzt keine ärztliche oder therapeutische Beratung.
Er dient der Information und möchte Betroffenen Wege aufzeigen, das Fatigue-Syndrom besser zu verstehen und aktiv zu unterstützen.