Die Rolle des Darms bei multiple sklerose


Die Rolle des Darms und des Mikrobioms (Darmflora) bei Multipler Sklerose (MS), einer chronisch-entzündlichen, autoimmunen Erkrankung des zentralen Nervensystems, wird zunehmend untersucht. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass das Darmmikrobiom, das aus Milliarden von Mikroorganismen besteht, einen bedeutenden Einfluss auf das Immunsystem hat und möglicherweise bei der Entstehung und dem Fortschreiten von MS eine Rolle spielt.


Zentrales Nervensystem und Darm - wie hängt das zusammen?

Darm-Hirn-Achse

Der Darm und das Gehirn sind durch die Darm-Hirn-Achse miteinander verbunden, eine bidirektionale Kommunikationslinie, die durch das Nervensystem, das Immunsystem und das Hormonsystem funktioniert. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass der Darm und das Gehirn miteinander sprechen können. Dabei gelangen etwa 90% der Informationen vom Darm in Richtung Gehirn und nur 10% abwärts in die andere Richtung. Veränderungen im Darm können also auch das zentrale Nervensystem (ZNS) beeinflussen.


MS ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Myelinscheide, die Schutzhülle der Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark, angreift. Es wird vermutet, dass Veränderungen im Mikrobiom Immunreaktionen fördern könnten, die zur Zerstörung der Myelinscheiden beitragen.


Veränderungen im Mikrobiom bei MS

Studien haben gezeigt, dass Menschen mit MS eine veränderte Darmflora aufweisen im Vergleich zu gesunden Menschen. Diese Veränderungen könnten das Immunsystem dazu bringen, sich gegen das ZNS zu richten. Es wurde beobachtet, dass bestimmte Bakterienarten, die in der Darmflora von MS-Patienten häufiger vorkommen, entzündungsfördernde Eigenschaften besitzen. Andere Bakterien, die entzündungshemmend wirken, sind bei MS-Patienten hingegen seltener vorhanden.


Entzündungen im Darm und MS

Es wird angenommen, dass Entzündungen im Darm, die durch ein Ungleichgewicht im Mikrobiom verursacht werden (Dysbiose), die Barrieren des Darms durchlässiger machen können. Dieses Phänomen, bekannt als Leaky-Gut-Syndrom, ermöglicht es schädlichen Stoffen, wie Bakterien oder Toxinen, in den Blutkreislauf zu gelangen und das Immunsystem zu aktivieren. Eine solche Fehlfunktion im Darm könnte dann dazu führen, dass das Immunsystem im gesamten Körper, einschließlich des zentralen Nervensystems, überreagiert und Entzündungen verursacht.


Darm und Immunmodulation

Der Darm spielt eine Schlüsselrolle bei der Regulation des Immunsystems. Bestimmte kurzkettige Fettsäuren (SCFAs), wie Butyrat, die von Darmbakterien produziert werden, haben entzündungshemmende Effekte und unterstützen die Aufrechterhaltung der Darmbarriere. Bei MS-Patienten sind diese entzündungshemmenden Stoffe oft reduziert. Einige Studien legen nahe, dass eine Veränderung der Darmflora oder die Zugabe von nützlichen Bakterien (Probiotika) oder Präbiotika (Ballaststoffe, die das Wachstum gesunder Bakterien fördern) helfen könnte, Entzündungen im Körper und im Gehirn zu reduzieren.


Vitamin D und Mikrobiom

Vitamin D, das eine Schlüsselrolle bei der Immunregulation spielt, wird oft als ein Schutzfaktor gegen MS betrachtet. Interessanterweise interagiert Vitamin D auch mit dem Mikrobiom, indem es die Zusammensetzung der Darmflora beeinflusst und entzündungshemmende Effekte fördern kann. Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel, der bei MS häufig beobachtet wird, könnte das Mikrobiom verändern und so das Risiko für die Entstehung oder das Fortschreiten der Krankheit erhöhen.


Therapeutische Ansätze über den Darm

Probiotika und Präbiotika: Es gibt Forschungen, die untersuchen, ob der Einsatz von Probiotika (nützliche Bakterien) und Präbiotika (Nahrung für diese Bakterien) die Symptome von MS lindern könnte, indem sie das Darmmikrobiom ins Gleichgewicht bringen. Bestimmte Ernährungsansätze, wie ballaststoffreiche Diäten, die das Wachstum von gesunden Bakterien im Darm fördern, werden auf ihr Potenzial hin untersucht, Entzündungen zu verringern und das Immunsystem positiv zu beeinflussen. In jedem Fall trägt ein gesunder Darm zur allgemeinen Gesundheit und Wohlbefinden bei und hilft,  weitere Erkrankungen zu verhindern.


Fazit

Es gibt immer mehr Belege dafür, dass der Darm eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und dem Verlauf der Multiplen Sklerose spielen könnte. Ein gestörtes Mikrobiom kann das Immunsystem beeinflussen und zur Entstehung und Verschlimmerung der Krankheit beitragen. Obwohl die Forschung in diesem Bereich noch relativ neu ist, bieten therapeutische Ansätze, die auf die Wiederherstellung einer gesunden Darmflora abzielen, vielversprechende Möglichkeiten, um die Krankheit besser zu verstehen und möglicherweise neue Behandlungsansätze zu entwickeln.