Dieses Sprichwort kann man getrost vergessen, denn die Studienlage ist vollkommen klar: Selbst kleine Mengen Alkohol schaden dem Organismus und können weitreichende Auswirkungen auf den Körper haben, insbesondere in Bezug auf chronische Entzündungen und das empfindliche Gleichgewicht unseres Mikrobioms. Auch die WHO hat dieses Jahr festgelegt, dass es keine gesundheitlich unbedenkliche Menge an Alkohol für den Körper gibt. Doch warum ist das so? Was passiert in unserem Körper, wenn wir Alkohol trinken?
Aufnahme und Verteilung im Körper
Nach dem Trinken wird Alkohol (Ethanol) über die Schleimhäute von Mund, Magen und vor allem im Dünndarm schnell ins Blut aufgenommen. Über das Blut gelangt der Alkohol in den gesamten Körper, inklusive Gehirn, Leber und anderen Organen. Der Körper schlägt Alarm: Achtung – schädliche Substanz, das Gehirn setzt den Abbau von Alkohol ganz oben auf die Prioritätenliste. Sie erinnern sich an Otto Waalkes Serie „Halbgott in Weiß“ mit Erklärungen zur Funktionsweise des Menschen anhand eines Menschen in einer Bar? „Leber an Großhirn – wo bleibt denn nun der Alkohol. Ich krieg ja überhaupt nichts zu tun hier?“
Schritt 1: Alkohol wird durch das Enzym Alkoholdehydrogenase (ADH) in Acetaldehyd umgewandelt. Doch auch Acetaldehyd ist giftig und verantwortlich für viele der schädlichen Effekte, z. B. Übelkeit und Gewebeschädigung.
Schritt 2: Acetaldehyd wird durch Aldehyddehydrogenase (ALDH) zu Essigsäure (Acetat) umgewandelt. Acetat wird schließlich in Wasser und Kohlendioxid umgewandelt und ausgeschieden.Der Körper – sprich die Leber - schafft es also, das Gift loszuwerden, von diesem Prozess bekommen wir nichts mit, außer, dass wir nach und nach wieder nüchtern werden.
Doch warum greifen die Menschen zu Alkohol, wenn es für den Körper doch so schädlich ist? Außer dem immer noch vorhandenen gesellschaftlichen Druck ist dies mit der unmittelbaren Wirkung auf das Gehirn zu erklären. Alkohol wirkt als Zentralnervensystemdämpfer, indem er die Wirkung des hemmenden Neurotransmitters GABA verstärkt und die Wirkung von Glutamat (einem erregenden Neurotransmitter) blockiert. Dies führt zu den typischen Symptomen: Entspannung, Euphorie, erst einmal fühlen wir uns besser, doch bei steigendem Konsum kommt es zu einer beeinträchtigten Motorik, Gedächtnisprobleme und im Extremfall Bewusstlosigkeit. Das Alkohol nicht so toll für den Körper ist, bemerken wir spätestens am nächsten Tag, wenn der typische Kater auftritt, den wir mit saurem Hering oder Aspirin zu vertreiben versuchen.
Da unser Körper immer um unser Wohlergehen besorgt ist, schafft er es schon, irgendwie mit Alkohol umzugehen und ihn zu verstoffwechseln. Doch in seiner Prioritätenliste ist die Entgiftung – das Loswerden dieses für ihn bedrohlichen Giftstoffes – wie bereits erwähnt, ganz oben, was bedeutet, das in der Leber nach Alkoholkonsum andere wichtige Dinge wie Produktion von Proteinen wie Enzymen, Hormonen, Immunzellen sowie der Abbau anderer Stoffe wie Hormone brachliegt, fast so, als würde diese unfassbar produktive Stoffwechselfabrik namens Leber zum Stillstand kommen und sich die komplette Belegschaft nur noch um das Thema Alkoholentgiftung kümmern. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Alkohol die Fettverbrennung hemmt, da die Leber vorrangig mit dem Abbau von Alkohol beschäftigt ist. Dies kann zu einer Ansammlung von Fett in der Leber führen (Fettleber). Gleichzeitig kommt es zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels, gefolgt von einem möglichen Abfall (Unterzuckerung), da die Glukoseproduktion in der Leber beeinträchtigt wird.
Doch was passiert, wenn der Körper nicht nur gelegentlich, sondern immer wieder mit Alkohol konfrontiert wird? Ein regelmäßiger Konsum von Alkohol hat sowohl auf chronische Entzündungen als auch auf das Darmmikrobiom erhebliche Auswirkungen.
Alkohol und chronische Entzündungen
Chronische Entzündungen sind stille Prozesse, die über einen langen Zeitraum ablaufen und zahlreiche Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Krebs begünstigen. Alkohol spielt eine bedeutende Rolle bei ihrer Entstehung. Er löst eine Schadensspirale aus: Eine gestörte Darmflora (Dysbiose) führt zu erhöhter Durchlässigkeit der Darmbarriere, was wiederum Entzündungen fördert.
Wie Alkohol Entzündungen auslöst
1. Oxidativer Stress
Alkohol wird in der Leber zu Acetaldehyd abgebaut, einem toxischen Zwischenprodukt. Dieser Prozess erzeugt freie Radikale, die Zellstrukturen wie Membranen und DNA angreifen. Die Zerstörung dieser Strukturen aktiviert das Immunsystem und führt zu chronischen Entzündungen.
2. Einfluss auf die Immunreaktion
Alkohol stört die Funktion von Immunzellen, darunter Makrophagen und T-Lymphozyten. Dies führt zu einer Fehlregulation der Immunantwort, wodurch entzündungsfördernde Moleküle wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und Interleukin-6 (IL-6) vermehrt ausgeschüttet werden.
3. Endotoxine und die Darm-Leber-Achse
Alkohol schädigt die Darmschleimhaut und erhöht deren Durchlässigkeit („Leaky Gut“). Dadurch gelangen bakterielle Endotoxine wie Lipopolysaccharide (LPS) in die Blutbahn. Diese Giftstoffe stimulieren die Leber und fördern dort Entzündungsreaktionen, die langfristig zu Fibrose und Leberzirrhose führen können.
Langfristige Auswirkungen chronischer Entzündungen durch Alkohol
• Lebererkrankungen: Die alkoholische Fettleber und Steatohepatitis sind direkte Folgen chronischer Entzündungen, die bis zur Zirrhose fortschreiten können.
• Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Entzündungen fördern Arteriosklerose, erhöhen den Blutdruck und steigern das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall.
• Krebs: Chronische Entzündungen sind ein Treiber für die Tumorentstehung, da sie die Zellteilung fördern und die DNA-Reparatur behindern.
Alkohol und das Mikrobiom
Das Mikrobiom, also die Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm, ist essenziell für unsere Gesundheit. Alkohol kann das Gleichgewicht dieser Mikroorganismen (Dysbiose) empfindlich stören, was zu einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen führt.
Wie Alkohol das Mikrobiom beeinflusst
1. Verlust der bakteriellen Vielfalt
Alkohol verändert die Zusammensetzung des Mikrobioms, indem er das Wachstum nützlicher Bakterien wie Lactobacillus und Bifidobacterium hemmt. Gleichzeitig fördert er die Vermehrung pathogener Bakterien wie Proteobacteria.
2. Erhöhte Darmpermeabilität („Leaky Gut“) Alkohol schädigt die Schleimhaut des Darms, wodurch giftige Stoffe und Bakterien leichter ins Blut gelangen. Dies kann systemische Entzündungen und Krankheiten wie Lebererkrankungen, Autoimmunerkrankungen oder Stoffwechselstörungen auslösen.
3. Endotoxämie und Entzündungen
Durch die Störung des Mikrobioms gelangen Endotoxine in die Leber und den Blutkreislauf, was Entzündungsreaktionen verstärkt. Dieser Mechanismus trägt maßgeblich zur Entwicklung alkoholbedingter Erkrankungen bei.
Folgen einer gestörten Darmflora durch Alkohol
• Lebererkrankungen: Die Darm-Leber-Achse ist besonders empfindlich gegenüber Mikrobiomveränderungen. Endotoxine fördern die Entzündung und Vernarbung der Leber.
• Psychische Gesundheit: Die Darm-Hirn-Achse wird durch Dysbiose beeinträchtigt, was Depressionen und Angstzustände verstärken kann.
• Metabolisches Syndrom: Eine unausgewogene Darmflora ist mit Übergewicht, Insulinresistenz und Diabetes verknüpft, was durch Alkohol zusätzlich gefördert wird.
Zusammenhang zwischen Entzündung und Mikrobiom
Die negativen Effekte von Alkohol auf Entzündungen und das Mikrobiom verstärken sich gegenseitig:
• Ein gestörtes Mikrobiom fördert entzündliche Prozesse, indem es die Produktion entzündungsfördernder Moleküle erhöht.
• Chronische Entzündungen schädigen wiederum die Darmbarriere, wodurch der Teufelskreis von Dysbiose und Entzündung aufrechterhalten wird.
• Über die Darm-Leber-Achse werden diese Schäden zusätzlich verstärkt, was zu systemischen Gesundheitsproblemen führt.
Warum schon kleine Mengen schädlich sind
Auch geringe Mengen Alkohol können diese Mechanismen aktivieren. Studien zeigen, dass bereits niedrige Dosen:
• die Zusammensetzung des Mikrobioms negativ beeinflussen,
• die Permeabilität der Darmwand erhöhen und
• entzündungsfördernde Zytokine aktivieren.
Langfristig erhöhen diese Prozesse das Risiko für Krankheiten wie Fettleber, Arteriosklerose, Diabetes und sogar bestimmte Krebsarten.